Frühe Diagnose heißt Chance auf Prävention - Ruth Biller

Ruth Billers Tochter ist mit 14 Jahren völlig überraschend an einem plötzlichen Herztod gestorben. Erst eine genetische Untersuchung nach deren Tod führte zu der Aufdeckung eines seltenen Gendefektes. Hier berichtet Ruth Biller, die als Vorsitzende der ARVC-Selbsthilfe e. V. sowie der europäischen Patientenvertreterinnen und -vertreter im Europäischen Referenznetzwerk ERN GUARD-Heart aktiv ist, wie genetische Untersuchungen Leben retten können, auch postum.

 

Ruth Biller
Als Vorsitzende der ARVC-Selbsthilfe erlebe ich permanent, welchen Wert die genetische Diagnostik hat. Die Arrhythmogene rechtsventrikuläre Kardiomyopathie, kurz ARVC, ist eine seltene genetische Herzerkrankung. Sie kann zum plötzlichen Herztod oder langfristig zu einer Herzschwäche bis hin zum Herzstillstand führen.
Ruth Biller, Vorsitzende der ARVC-Selbsthilfe

Die Symptome, die mit ARVC einhergehen, sind sehr unspezifisch. Dazu zählen etwa Herzrhythmusstörungen, Herzstolpern, Herzrasen, Schwindel, vorübergehende Bewusstlosigkeit und im Extremfall der plötzliche Herztod. Da die Betroffenen zudem oft sehr jung sind und als gesund gelten, erleben sie häufig jahr- bis jahrzehntelange diagnostische Odysseen, Fehldiagnosen inklusive.

Vielen wird z.B. jahrelang gesagt, sie hätten eine Myokarditis, also eine Herzmuskelentzündung. Ein fataler Irrtum. Denn während eine Myokarditis ausheilen und ein von den behandelnden Ärzten ausgesprochenes Sportverbot bald wieder aufgehoben werden kann, führt bei einer ARVC hochintensiver Sport zu einer Verschlimmerung der Erkrankung. Im weiteren Verlauf kommt es nicht selten zu lebensbedrohlichen Rhythmusstörungen. Eine frühzeitige korrekte Diagnose kann Leben retten.

Diagnosestellung

Mit einem Gentest Mutationen im Familienkreis aufspüren

Gentest

Ein Gentest gehört zum Standard in der Diagnosestellung und ist ein wichtiger Bestandteil der für ARVC geltenden Diagnosekriterien. Steht die Diagnose fest, können Herzrhythmusstörungen durch Medikamente reduziert werden. Bei hohem Risiko kann durch einen implantierten Defibrillator, der bei lebensbedrohlichen Rhytmus-Störungen wie der Notarzt von außen einen Schock abgeben und so einen plötzlichen Herztod verhindern.

Genveränderung erkennen kann Leben retten

Da die Erkrankung zu 50 Prozent an die Nachkommen vererbt wird, können durch die Untersuchung der Angehörigen auf die entdeckte Genveränderung weitere gefährdete Personen identifiziert werden. In unserer Selbsthilfeorganisation passiert es deswegen permanent, dass in Familien auf einen Schlag viele Betroffene entdeckt werden, die das Risiko für einen plötzlichen Herztod haben, sich aber völlig gesund fühlen und keine oder kaum Beschwerden haben. Von der Genmutation zu wissen, kann also potentiell Leben retten und einen Tod, von dem auch junge Menschen betroffen sein können, verhindern.

Genetische Untersuchungen im Verdachtsfall auch nach dem Tod

Obduktionen bringen Ursachen an Licht

Niemand sollte erleben müssen, dass das eigene Kind unerwartet mit 14 Jahren einen plötzlichen Herztod stirbt, so wie meine Tochter. Erst eine genetische Untersuchung nach ihrem Tod brachte die Ursache ans Licht. Aus diesem Grund kämpfen wir von der ARVC-Selbsthilfe dafür, dass bei verstorbenen Menschen unter 50 Jahren eine Obduktion sowie eine genetische Untersuchung durchgeführt werden, und diese außerdem von der Krankenkasse übernommen wird.

Genetische Herzerkrankungen rechtzeitig diagnostizieren

Neben ARVC gibt es noch weitere genetische Herzerkrankungen, die als Ursache für einen plötzlichen Herztod infrage kommen und deren Aufdeckung für die überlebenden Familienangehörigen von essentieller Bedeutung ist. Bei Myokarditis (Herzmuskelentzündungen), unklaren Synkopen (vorübergehender Bewusstlosigkeit), unklarer Herzschwäche und unklaren Herzrhythmusstörungen sollte viel öfter ein Gentest durchgeführt werden, um eine genetische Herzerkrankung als Ursache zu diagnostizieren oder aber auszuschließen. Denn erst dann können Symptome behandelt, lebensrettende Maßnahmen ergriffen und Betroffene geschützt werden, und den Familien bleibt viel Leid erspart.