Genommedizin im Fokus: Über 150 Teilnehmerinnen und Teilnehmer diskutierten auf dem ersten genomDE-Symposium am 7. Juli 2022 in Berlin unter dem Motto „Genetik und Krankheit: Versorgung und Forschung Hand in Hand“

Berlin, 8. Juli 2022. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) fördert seit dem 1. Oktober 2021 das Projekt genomDE. Am 7. Juli trafen sich in Berlin Vertreterinnen und Vertreter führender medizinischer Netzwerke und Fachgesellschaften sowie der betroffenen Patientenverbände und diskutierten über medizinische, technische, organisatorische und ethisch-rechtliche Aspekte der Genommedizin.

Mit ihrem Einführungsimpulsstatement eröffnete Petra Brakel, Unterabteilungsleiterin aus dem fördernden Bundesministerium für Gesundheit, das Symposium.  Ziel sei es, Deutschland im Hinblick auf Genommedizin durch Leuchtturminitiativen wie genomDE voranzubringen und international anschlussfähig zu machen. Dabei solle immer der Mensch im Mittelpunkt stehen.

Denn ein zentrales Anliegen von genomDE ist der verbesserte Zugang möglichst vieler Patientinnen und Patienten zu sinnvollen klinischen Anwendungsmöglichkeiten einer Genomsequenzierung. Durch die immer effizientere und präzisere Analyse des molekularen Krankheitsgeschehens erlaubt dieses Verfahren immer genauere und schnellere Diagnosen, die präzisere Vorhersage von Wirksamkeit und Nebenwirkungen vieler Therapien und in einigen Fällen sogar eine gezieltere Krankheitsprävention.

Podiumsdiskussion - genomDE-Symposium 7. Juli 2022 in Berlin

Positive Bilanz

Prof. Dr. Michael Krawczak, UKSH Schleswig-Holstein, Campus Kiel und Prof. Dr. Hilger Ropers, emeritierter Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik aus Berlin gaben zunächst einen Überblick über die Entwicklung der genomischen Medizin und der Genese von genomDE. Dabei stellten sie Genomics England als internationalen Vorreiter dar sowie auf nationaler Ebene das frühe Engagement bei NAMSE und der ACHSE e.V..
 

Sebastian Claudius Semler, Geschäftsführer der TMF e. V. betonte auf der Podiumsdiskussion die hohe Bedeutung einer übergreifenden Zusammenarbeit der bereits bestehenden Initiativen: „Die Erfahrungen und Ergebnisse der Medizininformatikinitiative und anderen nationalen Initiativen sollen in genomDE einfließen. Bereits etablierte Strukturen in Forschung und Versorgung sollen hier bestmöglich zusammengeführt und Synergien genutzt werden. GenomDE soll ein Forum sein, auf dem die Weiterentwicklung der genomischen Medizin gebündelt wird.“
 

Basis der Plattform genomDE wird ein wissensgenerierendes Versorgungskonzept für Patientinnen und Patienten sein, das die Nutzung von klinischen bzw. phänotypischen und assoziierten genomischen Daten für die individuelle ärztliche Behandlung - also Versorgung - sowie für die Forschung zur Weiterentwicklung und kontinuierlichen Verbesserung von Diagnostik und Therapie von Krankheiten ermöglicht.
 

Während der eindrücklichen Podiumsdiskussion mit betroffenen Patientinnen der in genomDE eingebundenen Patientenvertretungen stand besonders der Aspekt der besseren Vernetzung von behandelnden Ärztinnen und Ärzten mit Patientinnen und Patienten im Fokus. Zusätzlich sei eine bessere interdisziplinäre Zusammenarbeit und Kommunikation notwendig. Der häufig lange Weg zur Diagnosefindung, insbesondere bei Seltenen Erkrankungen, gleicht oftmals einer Odyssee für die betroffenen Patientinnen und Patienten.  
 

Nadine Großmann vom Fibrodysplasia Ossificans Progressiva Deutschland e.V. (FOP e.V.) betonte auf der Podiumsdiskussion: „Für seltene, monogenetische Erkrankungen, wie Fibrodysplasia Ossificans Progressiva (FOP), ist genomDE äußerst wichtig, um Diagnosewege zu verkürzen und vor allem, um Fehlbehandlungen, die dauerhafte körperliche Schädigungen verursachen können, zu vermeiden. Nur eine genetische Untersuchung kann eine FOP Erkrankung zuverlässig bestätigen und ist für Betroffene und ihre Familien von großer Bedeutung.“
 

Bereits etablierte Strukturen, wie im nationalen Netzwerk Genomische Medizin (nNGM) für Lungenkrebs können ebenfalls einen Ausblick für die zukünftige Praxis geben. Genommedizin wird darüber hinaus im Rahmen einer wissensgenerierenden genomischen Krebsprävention große Chancen bieten, so Prof. Dr. Rita Schmutzler vom Zentrum Familiärer Brust- und Eierstockkrebs des Universitätsklinikums Köln.
 

Prof. Dr. Christine Klein vom Institut für Neurogenetik an der Universität Lübeck erläuterte in ihrem Vortrag das Potential der genomischen Medizin für weitere Krankheitsbilder, wie zum Beispiel Parkinson. Hier seien ca. 10% der Erkrankungen genetisch verursacht und es sei möglich, Gentherapien in diesem Bereich zu erforschen.
 

Prof. Dr. Michael Hallek, Klinik I für Innere Medizin, Universitätsklinikum Köln und CIO Aachen Bonn Köln Düsseldorf erläuterte in seinem Vortrag die notwendigen Eckpunkte für eine Wissen generierende Versorgung: Dazu zählten neben spezifischem Wissen zu den jeweiligen Krankheitsbildern die Einbeziehung translationaler Spitzenforschung an großen, vernetzten Zentren sowie die Schaffung weiterer vernetzter Strukturen. Wichtig sei eine reibungsfreie Interaktion von Leistungserbringern und forschenden Einrichtungen. Digitalisierung und Interoperabilität der Datenbewirtschaftung seien ebenfalls wichtige Bausteine, ebenso der Abbau bürokratischer Hürden und spezielle Managementkompetenzen. 
 

Während der spannenden Abschlussdiskussion mit den Vertretern der Krankenkassen ging es vorrangig um die Frage der Finanzierung: Dr. Gerhard Schillinger (AOK Bundesverband), Dr. Ursula Marschall  (BARMER) und Dr. Norbert Loskamp (PKV-Verband) wiesen auf die entstehenden Kosten bei einer engeren Verzahnung von Forschung und Versorgung hin: wer übernimmt diese Kosten? Finanziert werden müssten zudem die umfassenden Forschungmassnahmen, die im Rahmen von Evaluationsmaßnahmen den Nutzen der Genomdiagnostik nachweisen sollen. Dieser Nutzenaspekt diene als Grundlage ihrer Etablierung in der zukünftigen Versorgung.    
 

Sebastian C. Semler, Geschäftsführer TMF e. V., Berlin, zog ein positives Fazit und betonte, wie wichtig und wertvoll der persönliche Austausch mit allen Beteiligten im Rahmen des Symposiums war.